Derzeit ist Gerald Böse, Chef der Koelnmesse, auch Präsident des European Chapter des Weltmesseverbandes. Noch Anfang März war er im brasilianischen São Paulo auf der Anufood Brazil, einem Ableger der Nahrungsmittelschau Anuga. Zurück in Köln muss sich Böse um den Einbruch des internationalen Messegeschäfts kümmern, der auch NRW hart trifft. In Köln wurden unter anderem die Eisenwarenmesse, die Art Cologne und die Photokina verschoben.
WELT: Herr Böse, Sie haben zuletzt noch gute Geschäfte gemacht. Nun der Einbruch durch die Corona-Krise. Was bedeutet das konkret für die Koelnmesse?
Gerald Böse: 2019 war ein tolles Jahr, ein Rekordjahr mit erstmals über 400 Millionen Euro Umsatz und mehr als 30 Millionen Euro Gewinn. Für das Jahr 2021 erwarteten wir sogar bis zu 500 Millionen Euro. Doch seit einigen Wochen sind wir nun im Corona-Modus, wie andere Messegesellschaften auch. Wir müssen nun für verschiedene Szenarien die Weichen stellen.
WELT: Welche Szenarien sehen Sie?
Böse: Zunächst das Verschieben von Veranstaltungen ins zweite Halbjahr oder auch bis 2021. Oder auch die Absage von Messen, wenn kein passender Zeitraum verfügbar sein sollte. Wir hoffen auf das Beste, wollen uns aber auch auf das schlechteste Szenario vorbereiten, wenn sogar bis Ende des Jahres keine Veranstaltungen möglich sein sollten.
WELT: Was bedeutet das für Ihre rund 1000 Mitarbeiter in Köln und im Ausland?
Böse: Unsere Mitarbeiter haben natürlich viele Fragen und Sorgen, mit dem Betriebsrat suchen wir nach Lösungen. Wir sind in Köln seit dem 1. April in Kurzarbeit, die drei oder auch sechs Monate dauern könnte. Die meisten Mitarbeiter sind in die mobile Arbeit gewechselt. In der Hauptverwaltung ist permanent nur ein Krisenteam mit einem Geschäftsführer und rund 30 bis 40 Mitarbeitern vor Ort. Das läuft sehr gut, hier spreche ich unseren Mitarbeitern ein großes Lob aus!
WELT: Müssen Sie bereits über Entlassungen nachdenken?
Böse: Unser oberstes Ziel ist der Erhalt der Arbeitsplätze. Allerdings werden wir die geplante Neubesetzung von etwa 40 Stellen verschieben und nur noch selektiv einstellen. Und auch für die Bereichsleiterebene und die dreiköpfige Geschäftsführung wird es Einschnitte bei der Vergütung geben, wie schon 2008/2009 bei der Finanzkrise.
WELT: Sie sind 2008 nach Köln gekommen, mit Krisen kennen Sie sich also aus.
Böse: Ja, da war ich gleich mittendrin in der Krise, aus der wir als Koelnmesse gestärkt hervorgegangen sind. Und das erwarte ich auch für die Corona-Krise. Wir setzen darauf, dass bald Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist. Und dass wir Ende August die Spielemesse Gamescom in Köln veranstalten können. Aber beim Messegeschäft wird sich durch die Krise einiges ändern, danach wird vieles anders sein.
WELT: Was meinen Sie konkret?
Böse: Wir haben in den vergangenen Jahren schon verstärkt auf Digitalisierung gesetzt, auch durch einen starken Auftritt im Internet – gerade bei der Gamescom. Ich glaube, dass sich solche Messen zumindest teilweise in digitale Räume erweitern werden, neben der Präsenzveranstaltung vor Ort. Neben verkauften Quadratmetern und der Zahl der Besucher auf dem Messegelände wird die digitale Reichweite eine weitere wesentliche Säule des messbaren Veranstaltungserfolgs für alle Beteiligten sein.
WELT: Und im Ausland? Sie sind ja in vielen Ländern aktiv, auch in China.
Böse: Es wird auch nach, vielleicht sogar mit Corona ein Messegeschäft geben. Aber gerade im Ausland könnte sich einiges verändern, wenn die dortigen Märkte länger unter der Krise leiden sollten. Gewohnte Termine, aber auch Messerhythmen kommen auf den Prüfstand. Es würde mich nicht wundern, wenn einige Jahresmessen diesen Rhythmus aufgrund der Marktsituation speziell in Asien nicht mehr halten können.
WELT: Würde dann der Heimatmarkt NRW und Köln wieder wichtiger?
Böse: Der ist bei aller Internationalisierung immer unser wichtigster Markt geblieben. Wir investieren deshalb auch weiter in Köln, unsere neue Halle 1plus steht vor dem Richtfest und soll zur Möbelmesse und Living Kitchen im Januar 2021 zur Verfügung stehen.
WELT: Sie haben in ungeraden Jahren mehr große Messen, in Düsseldorf sind die geraden Jahre wichtiger. Dort musste man nun Weltleitmessen wie Drupa und Interpack verschieben oder absagen. Wäre angesichts der Krise auch eine engere Zusammenarbeit zwischen den größten NRW-Messestandorten vorstellbar, gar eine Fusion?
Böse: Abseits aller Fusionsdebatten wäre durchaus eine engere Zusammenarbeit und Abstimmung speziell in der aktuellen Krise vorstellbar. Warum sollte eine unserer Messen nicht mal in Düsseldorf laufen, wenn dort gerade Platz ist? Und natürlich auch umgekehrt. Das Kapazitätsmanagement bietet noch viele Potenziale für das Messeland Nordrhein-Westfalen, speziell auch für große rotierende Gastmessen.
Gerald Böse
1962 in München geboren, leitet seit 2008 die Messe Köln, den gemeinsam mit Düsseldorf wichtigsten Messestandort in NRW.
Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.
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https://messepost-online.info/koelnmesse-warum-soll-eine-unserer-messen-nicht-in-duesseldorf-laufen/
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